Onboarding Prozess nach IEC 62366-1

Usability Engineering für Medizinprodukte

Für medizinische Produkte spielt das Risikomanagement und die Vermeidung von Risiken eine wesentliche Rolle. Bereits im Entstehungsprozess sind deshalb alle beteiligten Personen in die standardisierten Prozesse und Handlungsanweisungen einzuweisen. Im zweiten Teil unserer vierteiligen Blogreihe zeigen wir, wie die Einführung des Usability-Engineering-Prozesses gemäß der EN IEC 62366-1 im Team gelingt und welche Hürden wir dabei zu bewältigen haben.

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Warum ist der Onborading Prozess so wichtig?

Die IEC 62366-1 fordert die Identifizierung von gefährdungsbezogenen Use Scenarios (Use Errors), welche im Rahmen des Risikomanagements nach ISO 14971 erhoben und kategorisiert und daraus Nutzeranforderungen abgeleitet werden. Das gilt auch für das “Risiko Mensch”. Deshalb werden alle Mitarbeiter in einem eHealth-Projekt auf die Verfahrensanweisungen (SOP) zum QM/Quality-Prozess sowie die sie betreffenden themenspezifischen SOPs geschult. Auch der Onboarding Prozess wird in einer SOP beschrieben und gilt als Standard für die Mitarbeiterschulung. Damit wird sichergestellt, dass das Vorgehen und das streng regulatorische QM-System verstanden, eingehalten und gelebt wird. 

Mit der Erstellung und Einhaltung der Verfahrensanweisung (SOP) nach IEC 62366-1 wird die Grundlage für die durch die MDR geforderte Gebrauchstauglichkeit von Medizinprodukten geschaffen.

Worin unterscheidet sich der Usability Engineering Prozess vom gelernten UX-Prozess?

Der wesentliche Unterschied liegt im Risikomanagement und in der Dokumentation. 

Sowohl vor als auch während der Entwurfs- und Entwicklungsphase werden potentielle Use Errors ermittelt und dokumentiert, die durch formative Evaluationen wie Experten Reviews und Usability Tests verifiziert und ergänzt werden und in den iterativen Gestaltungsprozess einfließen.

Für die Dokumentation ist die Usability Akte (Usability Engineering File) das zentrale Dokument. Es enthält jegliche Maßnahmen, die ergriffen wurden, um die Benutzerfreundlichkeit im Zusammenhang mit der sicheren Verwendung des Produkts zu gewährleisten. Die Kapitel bilden im Wesentlichen die Nutzungsszenarien und identifizierte gefahrenbezogene Nutzungsszenarien sowie eine Spezifikation der Benutzeroberfläche ab. Hinzu kommen weitere Dokumente:

  • Stakeholder Requirements: Hier werden alle Nutzeranforderungen dokumentiert und bei Bedarf über den gesamten Produktentwicklungszyklus aktualisiert.
  • Usability Evaluation Plan: Dieses Dokument beschreibt die Planung der Usability-Bewertung.
  • Usability Evaluation Protocol: Es enthält einen Leitfaden für Moderatoren und Testszenarien sowie entsprechende Akzeptanzkriterien für einen Usability-Test. 
  • Usability Evaluation Summary Report: Die Ergebnisse der Usability-Bewertung werden hier zusammengefasst.

Allein der Umfang zeigt, dass es hier einer ausführlichen Einführung aller beteiligten Projektmitarbeiter bedarf und sich die Arbeit auf Grund der Anforderungen und Verfahrensanweisungen vom bisherigen Alltag unterscheidet. 

Wie gelingt die Vermittlung der Verfahrensanweisungen (SOP)?

Für uns als ein Team aus UX/UI-Designern, User Researchern und Projektmanagern stellte sich die Auseinandersetzung mit den unterschiedlichsten Verfahrensanweisungen als große Herausforderung dar. Das betraf sowohl die Prozesse selbst als auch die Rollen. Die Umsetzung der User Interface Specification (UX/UI) in Form von Wireframes und UI-Designs gehört zum Usability Engineering Prozess, die Erarbeitung und Dokumentation findet allerdings hauptsächlich im Rahmen der Software Entwicklung statt, welche in der Verfahrensanweisung (SOP) zum Software Development IEC 62304 beschrieben wird.

Im Designteam führte das zu Verwirrungen, da die Kollegen ihre Rollen (UX/UI-Designer) während des Onboardings nicht in der SOP für den Usability Engineering Process wiedergefunden haben. Zudem wirken die vielen Formalien und Regularien beim ersten Lesen erschlagend.

 

Für den Onboarding Prozess haben wir deshalb ein Verfahren aus vier Schritten entwickelt, welches wir als SOP festhalten und in weiteren Healthcare Projekten zur Anwendung kommt:

1. Persönliche Schulung

Ziel ist es, ein allgemeines Verständnis der Ziele, Struktur und Inhalte des Prozesses/der Aktivität sowie bestehender Verknüpfungen mit anderen Prozessen zu vermitteln. Trainer können entweder Teammitglieder sein, die bereits erfolgreich für den Prozess geschult wurden und Erfahrung mit Gesundheitsprojekten haben, oder der Leiter des Gesundheitsprojektmanagements und des QMR.

2. Selbststudium
Im nächsten Schritt vertieft der Mitarbeiter im Selbststudium die Inhalte der entsprechenden SOPs bzw. Schulungsunterlagen. Sollten Fragen auftauchen oder Unklarheiten bestehen bleiben, werden diese im Anschluss mit dem Prozessverantwortlichen geklärt.


3. Bewertung der Wirksamkeit

Für das Nachhalten des Wissenserwerbs gibt es eine kompakte Prüfung per Multiple Choice. Der Test deckt Wissenslücken auf, die gemeinsam im Team geschlossen werden können. Zudem weist der Test nach, dass ein Onboarding stattgefunden hat und die Person auf das notwendige Wissen zurückgreifen kann, was im Rahmen der Dokumentationspflicht nötig ist. Dabei darf allerdings nicht der Eindruck entstehen, dass der Test die Mitarbeiter fachlich einstuft bzw. in ihrer Qualität bewertet. 


4. „Mentoring“ durch ein erfahrenes Teammitglied 

Ziel des Mentorings ist es, neuen Mitarbeitern Unterstützung und Orientierung in den Besonderheiten von Gesundheitsprojekten und der praktischen Umsetzung der formalen Richtlinien des QMS zu geben. Bei Bedarf fungiert ein erfahrenes Projektteammitglied als „Mentor“ und unterstützt den neuen Mitarbeiter bei alltäglichen Aktivitäten im Gesundheitsprojekt.

Learning

Wie sich herausstellte, war vor allem die persönliche Begleitung des Prozesses durch erfahrene Kollegen besonders wichtig. Deshalb haben wir sowohl die persönliche Schulung zu Beginn als auch das Mentoring als begleitenden Bestandteil in unser Verfahren des Onboardings eingebaut. Die Wissensweitergabe in “kleinen” Teilen und mit Wiederholungen vereinfacht den Lernprozess und minimiert Unsicherheiten. 

Auch was die Rollen angeht, wurden fehlende Rollen in der SOP ergänzt, indem die Rolle des Usability Engineers differenziert und die Rollen des UI- und UX-Designers ergänzt wurden. Das führt zu einer höheren Zugehörigkeit und einem höheren Verantwortungsbewusstsein für die Aufgabe und deren normgerechte Umsetzung.

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